Wer in der Digitalisierung nicht das richtige Mindset hat bzw. rasch zu entwickeln bereit ist, sprich agil, flachhierarchisch, kollaborativ, sinnökonomisch, … agiert, verliert den Anschluss. So richten viele, getriggert durch den Druck und die Angst, die Digitalisierung nicht adäquat zu meistern, den Blick auf vielversprechende Strategien und Tools – beispielsweise auf die Heilsversprechungen mit einem entsprechenden Mindset im digitalen Wettkampf zu den Gewinnern zu zählen.
Wie sieht es tatsächlich aus mit dem so gehypten richtigen Mindset?
Unter Mindset sammeln sich vielfältig Synonyme, wie beispielsweise Denkweise, Einstellung, Gesinnung, Haltung, Lebensphilosophie, Mentalität, Orientierung, Weltanschauung, … Wie wir denken, fühlen, handeln, sprich ein Mindset entwickeln, hängt wechselseitig zusammen und ist geprägt von individuellen Erfahrungen, die wir gemacht haben. Dazu gehören positive, die uns in bestimmten Bereichen ermutigen und bestärken, aber eben auch negative, die dazu führen, dass wir uns einige Dinge nicht zutrauen, aus dem Leben ausblenden, wegschieben.
Mindset ist nach Christoph Zacher, Co-Vorspringer bei VORSPRUNGatwork, ein komplexes Netzwerk an Überzeugungen/Einstellungen/Haltungen gegenüber Dingen, die einem in gewissen Kontexten erfolgreich leben lassen, die Grundbedürfnisse befriedigen und die persönlichen Werte operationalisieren, für einen selbst erlebbar machen oder einem selbst konsistent im eigenen Selbstbild erscheinen lassen.
Mindset lässt sich so gesehen als eine persönliche Sammlung von Grundüberzeugungen, Glaubenssätzen oder Prinzipien beschreiben – darauf ausgerichtet stabil, sicher und wertgeschätzt durch den Alltag zu kommen. Es definiert also vor allen Dingen die grundsätzlichen Erfahrungen, die damit verbundenen Denkmuster und inneren Einstellungen. Geht es um mehr als eine Person (also zum Beispiel bei einem Team-Mindset oder Corporate-Mindset) wird damit häufig eine vorherrschende Kultur beschrieben – also zum Beispiel die Teamkultur oder die Unternehmenskultur.
Jeff Bezos, Gründer des Onlineversandhandels Amazon.com, versteht unter Mindset eine positive und offene Einstellung, um die richtigen Ziele zu setzen, diese zu erreichen und mit Fehlern und Niederlagen resilient umgehen zu können. Das erfordert jedoch Training und Weiterentwicklung vom Mindset. An der Stelle mag die Mindset-Theorie der Motivationspsychologin Carol Dweck gut veranschaulichen, warum es für manche einfach scheint, offen und wendig neuen Herausforderungen entgegenzutreten, scheinbar das Mindset entsprechend gut anpassen zu können, und andere dabei große Schwierigkeiten haben.
Dweck unterscheidet zwischen zwei großen Blöcken von Mindset-Wirkungsweisen, das Fixed Mindset (fixed = englisch für starr, unflexibel) und das Growth Mindset (growth = englisch für Wachstum; hier häufig mit wachstumsorientiert, dynamisch übersetzt).
- Diejenigen, die mehr im Sinne der Kategorie Fixed Mindset agieren, neigen dazu, bestimmte Fähigkeiten als angeboren, also als Fähigkeit, Talent zu beurteilen. Wenn so geprägte Menschen beispielsweise an einer Aufgabe scheitern, so führen sie das vermehrt darauf zurück, dass ihnen scheinbar bestimmte Begabungen fehlen bzw. jenen die Begabungen fehlen, die mit der Sache betraut worden sind.
- Solche hingegen, die sich mehr in die Kategorie Growth Mindset wohl fühlen, sind der festen Überzeugung, dass sie alles erreichen können, solange sie genügend Einsatz bringen, trainieren oder lernen. Eine entsprechende Fähigkeit ist dafür nicht unbedingt das Relevante. Diese Sichtweise übertragen diese jedoch auch auf die andere, können sich schwer vorstellen, dass andere das anders sehen – umgekehrt mit den Fixed-Mindset-Persönlichkeiten, die Folge, man redet aneinander vorbei.
Das mag auf den ersten Blick einleuchtend erscheinen. Manche werden meinen, dass Sie das ohnehin wissen und entsprechend im Arbeitsalltag in der Führung der MitarbeiterInnen zu berücksichtigen suchen. Doch diese Theorie von Dweck geht noch weiter, bezieht die Mindset-Fixierung auf einen gewichtigen Aspekt:
Dweck konnte wissenschaftlich belegen, dass die Art und Weise wie man andere Menschen lobt, einen eindeutigen Einfluss auf die Mindset-Prägung hat, ob man beispielsweise mehr zu einem Growth Mindset tendiert, oder eher einem Fixed Mindset glauben schenkt – und das hat selbstverständlich Auswirkungen:
- Menschen mit der Neigung zu einem starren Mindset vermeiden eher Herausforderungen, wenn Niederlagen zu befürchten sind. Diese können mit Niederlagen im Allgemeinen schlechter umgehen, versuchen Niederlagen zu verbergen. Solche Menschen sind eher davon überzeugt, nur auf einem Gebiet begabt zu sein – auch wenn das der Realität widerspricht.
- Im Gegensatz dazu ist bei Menschen mit einem dynamischen Mindset zu beobachten, dass sie wissbegieriger und mutiger sind etwas Neues zu erlernen, u.a. bestimmte Einstellungen von ihrem Mindset der Situation entsprechend neu auszurichten. Sie wissen, dass Anstrengungen notwendig sind. Sie sehen Fehler als Chance, um daraus zu lernen ganz im Sinne einer positiven Fehlerkultur. Randbemerkung: Deutschland ist fast Schlusslicht im positiven Fehlermanagement – das sollte zu denken geben was das Mindset betrifft.
Dweck sieht in der Mindset-Diskussion einen Punkt unterbewertet – die Motivation. Sie meint, dass Motivation die Grundessenz ist, auf der aufbauend im richtigen Verständnis Mindset entwickelt und entsprechend verändert werden kann. Mag sein, dass Sie das auch so sehen.
- Was verstehen Sie konkret unter Mindset?
- Was braucht es an Bewusstheit und Reflektiertheit, um kontinuierlich an dem persönlichen wir auch unternehmerischen Mindset arbeiten zu können, damit man langfristig Erfolg erntet?
Mag sein, dass Sie Ihre Entscheidungen, begründet auf einem geeigneten Mindset, umfassend reflektieren – auch was die Auseinandersetzung und den gehypten Drang Mindset-Arbeit zu leisten, betrifft. Die Frage ist nur, wie weit reicht Ihre Reflexion?
Alle reden über Mindset – und was ist dann?
Conny Dethloff von der Otto Group kritisiert jedenfalls den flapsigen Umgang mit dem Rüstzeug Mindset. So wie ich Dethloff verstehe, fehlt ihm in der Auseinandersetzung mit den gehypten Mindset-Aktivitäten – konkret die Reflexion und Selbsterfahrung. Mindset kann man nicht ändern, indem man darüber diskutiert und einfach nur neue Regeln aufschreibt. Die eigene Haltung, das dahinterstehende Mindset, ändert man nur, indem man tatsächlich anders handelt, neue Erfahrungen macht, reflektiert und daraus lernt.
- Das vorhandene Mindset ist äußerst stabil, die Macht der Gewohnheit bekräftigt es darüber hinaus entsprechend. Der erste Haken im Umgang mit den Mindsets ist jener, dass viele zwar von Mindset sprechen, aber das Mindset gar nicht wirklich umfassend kennen. Man mag zwar den einen oder anderen Aspekt wahrnehmen, aber das Mindset arbeitet ohne bewusstes Zutun, wie ein Autopilot. Das Mindset hat sich über Jahre hinweg aufgebaut, sich formiert in einer Weise, um bestmöglich mit der Umwelt und mit sich selbst im Umgang mit der Umwelt zurechtzukommen. Darauf vertraut man, lässt sich von dem aufgebauten Mindset glaubensstark und meist unbewusst durch den Alltag bewegen – selbst dann, wenn es gar nicht mehr so positiv wirkt, oder man sogar einem größeren Irrtum erliegt.
- Wenn wir das Mindset ändern sollen, dann scheint das auf den ersten Blick vielleicht noch irgendwie einsichtig, aber im zweiten und dritten Blick trübt sich das Vorhaben – warum, weil um ein neues Mindset aufbauen zu können, man sich dem aktuell wirksamen Mindset wirklich bewusst sein sollte. Klingt irgendwie verständlich und sinnvoll – damit sogar leicht handelbar. Doch es sei gewarnt. Genau die Verhaltensmuster, die das Mindset anwendet, um bestmöglich durch den Alltag zu kommen, ohne sich ständig darüber bewusst Gedanken machen zu müssen, verhindern, dass man mitbekommt, wie das Mindset arbeitet. Um den Autopiloten abschalten zu können, braucht es Achtsamkeit und die persönliche Bereitschaft, das auch tun zu wollen.
Man mag über Mindsets reden, aber Mindset ändern, ist eine andere Sache und braucht Bereitschaft, Fingerspitzengefühl, Sensibilität, Selbsterkenntnis und Reflexion. Man kann jedoch niemanden dazu zwingen, einen ehrlichen Blick hinter die Kulissen zu machen – das wäre jedoch in vielen Fällen notwendig. Robert Fuchs sieht den Prozess einer Mindset-Anpassung mehr in einem Mentalitätswandel, der 3 Schichten durchlaufen muss, um Wirkung zu erzielen:
- Der erste Schritt im Wandel ist die Achtsamkeit in der Gegenwart. Auf dieser Ebene ist das konkrete Lernen, Aufnehmen von neuem Wissen, neuen Handlungsweisen platziert.
- Die zweite Ebene im Mentalitätswandel ist die Wahrnehmung der Zukunft, die sich auf die jeweils vorhandene Kultur bezieht. Eine Unternehmenskultur ist das Ergebnis der kollektiven Einzelkulturen. Deshalb ist es so wichtig zuerst die Kultur des Einzelnen zu entwickeln, bevor man hergeht und das Mindset im Unternehmen ändert. Doch Fuchs warnt davor, die Verhaltensänderung mit einer Mentalitätsveränderung gleichzusetzen. Das ist es eben nicht. Aus diesem Grund braucht es noch die 3. Ebene.
- Das ist die Ebene des Bewusstseins. Erst auf dieser Ebene findet dann konkret die Transformation, der Mentalitätswandel statt, nachdem etwas gelernt und oft genug geübt bzw. praktiziert wurde.
Fuchs sieht das Hauptproblem darin, dass man die Denkweisen, das Mindset einer anderen Person nur ändern kann, wenn man die eigene Denkweise ändert. Dann kann man die Logik einer anderen Person verstehen. Erst auf diese Weise ist es möglich der anderen Person die notwendigen Informationen zur Verfügung stellen, um ein Realitätskonstrukt zu korrigieren – sprich das Mindset zu ändern.
Conclusio
Kehren wir nochmals zurück zu der Annahme, ein geändertes Mindset könne der Wirtschaft aktuell helfen, die Herausforderungen der Digitalisierung zu meistern. Zum einen stimmt es, dass es aktuell notwendig ist, das Mindset zu ändern, jedoch in einer anderen Art und Weise als meist angedacht – persönlich betroffen. Das ist auch meine Überzeugung und meine Erfahrung. Mit dem Mindset arbeiten heißt deshalb für mich Bewusstseinsarbeit leisten – und das endet nicht bei den offensichtlichen bewussten Denk- und Handlungsmustern. Wenn man Mindset bloß als oberflächliche Denk- und Handlungsspielfläche sieht, dann kann das Arbeiten mit Mindsets in der Wirtschaft vielleicht in der ersten Runde durchaus spannend und wirkungsvoll sein, aber später in einer Sackgasse enden – siehe agile Prinzipien sind zum Scheitern verurteilt.
Die Denkweise zu ändern, braucht viel Zeit, Motivation und viele andere Prozesse, die regelmäßig reflektiert werden müssen. Wenn man die Denkweise ändert, ändert sich die gesamte Persönlichkeit. So verfasst es eine Künstliche Intelligenz (KI), ein Textroboter, den ich mit dem Begriff Mindset gefüttert habe.
Das sollte doch zu denken geben – eine KI spricht über Persönlichkeit und dem mit dieser Persönlichkeit verbundenen Mindset. Ein Textroboter, gespeist durch Daten, selbstlernend, subsumiert, dass Mindset eine über den wirtschaftlichen Kontext hinaus wirkende Angelegenheit ist, die man nicht einfach so mit einem Mausklick ändern kann. Doch genau das, mit einem Mausklick das Mindset im Unternehmen ändern, ist gewünscht – meist aus Sorge heraus, den Anschluss zu verlieren, ebenfalls eine Mindset-Prägung, wie auch die Vorstellung, nicht genug Zeit zu haben. Das heißt aber, dass ein Mindset auch dazu befähigen sollte, Bedürfnisse und Emotionen zu regulieren.
Eike Wagner, Change Strategist bei Emergize, ist der Meinung, dass in sehr vielen Fällen sich Menschen eher vermeidungsorientiert und nicht bedürfnisorientiert regulieren, also sich vermehrt damit beschäftigen, Unangenehmes zu verhindern. Das aktiviert jedoch vielmehr das Vermeidungs-Mindset mit den entsprechenden Konsequenzen als ein couragiertes offenes Mindset, welches aber aktuell im digitalen Wetteifer gefordert wird.
Günter Wagner, langjähriger Vertriebsmanager bei internationalen Versicherungsunternehmen ist Geschäftsführer von Wagner Consulting und Redaktionsleiter von VORSPRUNGatwork.
Günther Wagner
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