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Der Wandel und der Stillstand im Einkauf

Einkauf

Heute setzt sich ein gut aufgestellter Einkauf mit globalen Themen auseinander. So haben wir es beispielsweise mit sich stark verändernden Märkten im Rohstoffbereich zu tun. Schwer umkehrbare Entscheidungen stehen überall dort an, wo lange Zyklen im Spiel sind, oder Märkte gar langfristig umkippen. Nicht nur bei den bekannten „seltenen Erden“, sondern auch bei einer ganzen Reihe von Agrarprodukten, bei denen- beispielsweise durch Klimawandel – die Erzeugung in den traditionellen Anbaugebieten unrentabel wird. Da Grund und Boden nicht beliebig vermehrbar ist, die Weltbevölkerung aber bis etwa Mitte des Jahrtausends weiter ansteigt, ist davon auszugehen, dass sich die Märkte für Grundnahrungsmittel weiter verfestigen. Die Hoffnung, dass Preisausschlägen nach oben wieder Preisausschläge nach unten folgen, wird bei vielen Produkten dadurch begrenzt, dass der energetische Wert Preisuntergrenzen setzt. Wie Beispiele aus der Vergangenheit zeigen, können viele Getreidearten ohne jede Aufbereitung direkt in Pelletheizungen verbrannt werden. In manchen Bereichen werden derartige Effekte noch verschärft, wie bei der Herstellung von Treibstoffen aus Zuckerrüben und subventionierter Verwendung von Mais in Biogasanlagen.

Was muss der Einkauf noch alles leisten …?

Der Arbeitsaufwand hat sich erheblich erhöht, auch durch verschärfte QS-Anforderungen, mehr Konsultation, durch Zertifizierungen und Dokumentationsanforderungen. Neben dem Zeitaufwand für die Audits selbst und deren Vorbereitung greifen die Folgen der Zertifizierungen in eine Vielzahl von Arbeitsgängen ein, sodass sich der Zeitaufwand für Zulassungen neuer Produkte und/oder Lieferanten in den letzten Jahren multipliziert hat.

… weniger verfügbare Lieferanten durch Fusionen

Während der Einkauf bis vor einigen Jahren einen Großteil des Bedarfs noch „in Sichtweite des heimischen Kirchturms“ decken konnte, wurde dies in den letzten Jahren in zunehmendem Maße schwieriger. Lieferanten strafften ihr Lieferprogramm, fusionierten, wurden übernommen oder fielen dem Strukturwandel zum Opfer. Der Entfernungsradius bei der Beschaffung nimmt immer weiter zu. Was auf Verkaufsseite schon lang gang und gäbe war, Aktivitäten auch jenseits der Landesgrenzen, war im Einkauf nur in wenigen Märkten verbreitet. Dies hat sich in den letzten Jahren erheblich verändert, und dieser Trend wird sich weiter fortsetzen.

Einkäufer müssen nicht nur mehr leisten, sie müssen auch mehr können…

Es gibt verschärfte Qualifikationsanforderungen an Mitarbeiter. In Konzernen hat das Wachstum im Einkauf mit dem Wachstum der Unternehmen Schritt gehalten, bei Mittelständlern jedoch ist die Organisation oftmals nicht mit gewachsen. In vertriebs- und fertigungsnahen Bereichen zwangsläufig, leider aber oft nicht im Einkauf.

Kennen Sie die Folgen eines schwach besetzten Einkaufs … ?

Dort, wo die Schere zwischen qualitativen und quantitativen Ressourcen und Anforderungen zu weit auseinandergeht, drohen Risiken. Diese werden oft erst augenscheinlich, wenn offensichtlich gravierende Fehler passieren. Sie passieren in der Regel aus Zeitmangel und wegen der Vermeidung offensichtlicher Risiken, wie z.B. Produktionsstillstand und daraus resultierender Einbußen. Die Folgen stehen auf keiner Rechnung, es gibt keine Belastungsanzeigen. In der internen Erfolgsstatistik der Personalabteilung steht: „Abgang im Einkauf ein Jahr lang nicht ersetzt“, „Anforderung von Zusatzpersonal mit Erfolg ein Jahr verzögert“. Ersparnis: x Monatsgehälter. Für die wirklichen Folgekosten, wie z.B. beschränkte Markttransparenz aufgrund unterlassener Ausschreibung wegen Zeitmangels, gibt es weder einen Beleg, noch wird dies wahrgenommen.

In der Not wird dann schon mal eine Gefälligkeit der Telefonzentrale, die eben Büromaterial mit bestellt, zur Gewohnheit. Das Gleiche passiert mit Büromöbeln, Werkzeugen und Hilfsstoffen, die von der Wartungsabteilung direkt bestellt werden. Dazu kommt die eine oder andere technische Investition. So kann es dann auch nicht verwundern, wenn auch noch der Betriebsleiter Maschinenteile oder auch gleich die ganze Maschine selbst ordert.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, und tendiert im Zweifelsfall dazu, immer dort zu bestellen, wo das Risiko vermeintlich am Kleinsten ist oder auch nur die angenehmste Atmosphäre herrscht. Da wird dann – auch aus vermeintlichem Sicherheitsdenken heraus – auch schon mal die eine oder andere Preiserhöhung ohne Prüfung des Marktes akzeptiert. Schon haben wir ein Unternehmen, bei dem ein erheblicher Anteil des Einkaufsvolumens per Maverick-Buying, also vollständig ausserhalb der Kontrolle des Einkaufs getätigt wird. Es wird sodann ein Großteil des Bedarfs immer bei den gleichen Lieferanten bestellt.

Es fällt noch nicht einmal auf, wenn der Zweit- oder Drittlieferant sich aus dem Markt verabschiedet und Single-Sourcing-Situationen unbemerkt auch bei strategischen Produkten entstehen. Die eine oder andere Schrecksekunde entsteht nur dann, wenn einer dieser faktischen Alleinlieferanten auszufallen droht. Falls die Gefahr gebannt werden kann, fällt man schnell wieder in die alten Verhaltensmuster zurück. Bei Markenartiklern in preislich weniger umkämpften Marktsegmenten kann dies über Jahre gut gehen, ohne daß sich jemand auch nur ansatzweise über den entgangenen Ertrag Gedanken macht. Für Lieferanten in preislich hart umkämpften Marktsegmenten kann dies schon mal ganze Unternehmen in Schieflage bringen.

Was machen wir mit festgestellten Defiziten … ?

Eine umfassende Steuerung des gesamten Einkaufs über Einkaufskennzahlen bindet in der Regel Kapazitäten, die in mittelständischen Unternehmen meist nicht vorhanden sind bzw. nicht bereitgestellt werden. Punktuell wurden dort bereits von Praktikanten – oder auch in Zeiten starker Kostensteigerungen von zeitweise eingesetzten Unternehmensberatungen – erstaunliche Ersparnispotenziale aufgezeigt. Diese wurden aber meist mangels Durchsetzungsmöglichkeiten und/ oder wieder mangels Zeit und Ressourcen nicht oder nur teilweise umgesetzt.

Wie Ersparnispotenziale identifizieren … ?

Für eine erste einfache Abschätzung der Größenordnung des Ersparnispotenzials im Einkauf braucht man nicht einmal Bleistift und Papier. Man muss nur das gesamte Einkaufsvolumen durch 100 dividieren, und schon hat man eine grobe Idee, was jedes Prozent an Ersparnis im Einkauf dem Unternehmen bringt bzw. was es kostet, wenn es nicht realisiert wird. Genauere Analysen verursachen etwas mehr Arbeitsaufwand. Die Bandbreite der Ersparnispotenziale liegt bei einigen Beschaffungsmärkten prozentual in der zweiten Stelle hinter dem Komma und reicht in manchen Segmenten bis in den zweistelligen Bereich. Die einzelnen Ersparnispotenziale müssen dann ins Verhältnis zum Anteil am Beschaffungsvolumen gesetzt werden, und schon hat man eine recht brauchbare Ausgangsbasis.

Sandwich-Position

In den letzten Jahren kam eine Vielzahl der Lebensmittelunternehmen mehr und mehr in eine Sandwich-Position. Die Möglichkeiten, Kostensteigerungen am Markt in Form entsprechender Preiserhöhungen an den Handel weiterzugeben, war sehr begrenzt. Positionsverbesserungen waren hauptsächlich durch Innovation, Rationalisierung und Leistungsverdichtung, insbesondere im Fertigungsbereich, möglich.

Der Wandel auf dem Arbeitsmarkt …

In den kommenden Jahren wird sich auch die Personalsituation verschärfen. In den letzten Jahrzehnten hatten unsere Unternehmen den Vorteil eines exzellenten Arbeitsmarkts. In nahezu allen Bereichen war qualifiziertes Personal zu vernünftigen Konditionen verfügbar. Aufgrund dieser Situation war es auch ohne aufwändige Personalbindungs- und Qualifizierungsprogramme möglich, gutes Personal im Unternehmen zu halten. Falls doch ein Mitarbeiter das Unternehmen verließ, war es selbst bei suboptimaler Personalakquise möglich, geeigneten Ersatz zu finden. Selbst, wenn der Ersatz nicht gleichverfügbar war, war es teilweise sogar über längere Zeiträume möglich, in ganzen Abteilungen längere Zeit ohne erkennbare Konsequenzen mit Minus-Reserven zu arbeiten. Diese Situation neigt sich, konjunkturunabhängig wegen des demographischen Wandels, dem Ende zu. Die Arbeitslosenzahl verringerte sich in weniger als zehn Jahren um über drei Millionen. Und in einigen Branchen und Regionen ist der Arbeitsmarkt bereits gekippt.

Auch im Einkaufsbereich ist diese Entwicklung angekommen und ist in einigen Regionen bereits spürbar durch das Fehlen von Nachwuchs bis in den Bereich der Führungskräfte hinein. Es ist auch bei den Einkäufern eine erhöhte Volatilität zu beobachten. In einer Reihe von Industrieregionen war bereits festzustellen, dass Einkäufer aus Branchen mit vergleichsweise niedrigem Gehaltsniveau , wie z.B. der Lebensmittelbranche, in Branchen mit besserem Gehaltsniveau teilweise in vollkommen andere Branchen gewechselt haben, was den Rückschluss nahe legt, dass in diesen Branchen die Anforderungsprofile im Einkauf branchenneutral erweitert wurden.

Es wird zunehmend wichtiger, das Personal im Unternehmen zu entwickeln, zu akquirieren und zu halten, den Nachwuchs sicherzustellen. Leider kann das Knowhow im Personalbereich nicht in der gleichen Geschwindigkeit wiederhergestellt werden wie der Bedarf und die Volatilität ansteigt, was zur Folge hat, dass sich die Personalknappheit weiter verschärft.

Fazit

Durch den demographischen Wandel und die Oligopol-Situation der Handelsketten ist davon auszugehen, dass sich die Preissituation vertriebsseitig kaum entlastet. Darüber hinaus kippende  Märkte im Rohstoffbereich, Nachholbedarf in internationaler Beschaffung, steigende Personalkosten und Mindestlohn in nahezu allen Bereichen. Daraus ergibt sich ein höherer Beschaffungsbedarf in ausländischen Märkten mit günstigeren Kostenkonstellationen, damit steigen gleichzeitig auch die Risiken internationaler Beschaffung. Wenn Schulenglisch auf Schulenglisch trifft, ist es nicht eine Frage, ob, sondern nur wann der erste durch Missverständnisse verursachte Fehler auftritt und wie teuer die Konsequenzen daraus sind. Dabei sind die Risiken durch Sprachdifferenzen nur eine Seite der Medaille, dazu kommen Unterschiede in Usancen und Mentalitäten sowie fehlende Kenntnisse der jeweiligen Beschaffungsmärkte.

Somit erweitert sich das Anforderungsprofil an den Einkauf erheblich. Und der Erfolg des Einkaufs als Ertragsbringer wird für die Unternehmen immer wichtiger.

Wer sich mit diesen Anforderungen allein gelassen fühlt und Unterstützung möchte, kann auf die Kompetenz und Erfahrung von Partnern der BRAINTRUST-Group zurückgreifen. Nutzen Sie die 24-Stunden-Helpline und holen Sie sich passende Experten ins Haus. Dies nicht nur im Einkauf, sondern auch in vielen anderen Bereichen des Braintrust-Kompetenz-Netzwerks.


Birgit Ritter ist Inhaberin, Commercial Packaging Agency Flexible Films, Plastic Containers, Cartons,

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