Drei Regeln für eine moderne Personalpolitik

by in "ImPuls des Tages"

Personalarbeit

Manche Menschen verhungern vor dem prall gefüllten Kühlschrank. In der deutschen Wirtschaft quasi täglich. Mal ist es jedes fünfte, mal jedes dritte, mal sogar jedes zweite Unternehmen irgendeiner Branche, das darüber klagt, dass es nicht genügend qualifizierte Mitarbeiter gäbe.

Fehlendes Personal sei Wachstumsbremse und koste Milliarden – egal ob es um technische Berufe, IT-Experten oder Pflegekräfte geht. Das Klagelied endet immer gleich: In Deutschland mangelt es nicht an Arbeit, sondern an Arbeitern. Doch das Lamento der deutsche Wirtschaft ist nur ein Ausdruck der eigenen Unzulänglichkeit: Fachkräftemangel ist Phantasiemangel.

Und das wird weiterhin so bleiben, solange die Personalarbeit weniger wichtig als die Produktionsprozesse, der Steuerberater oder die Anschaffung einer neuen Maschine gilt. Der Chefkontrolleur, der CFO oder der Steuerberater werden zeitintensiv und aufmerksam ausgesucht, denn ihre Leistung ist mess- und damit auch erkennbar. Beim Personalberater hingegen ist man immer noch skeptisch, ob er überhaupt gebraucht wird. Zumindest in der deutschen Wirtschaft.

Es gibt jedoch auch Unternehmen, die erfahrene und talentierte, spezialisierte und vielseitig qualifizierte Mitarbeiter für ihre Teams finden – also genau die Kräfte, die angeblich fehlen. Der Grund ist, dass die oberste Führungsebene anders denkt und führt. Ihre Denkart lässt sich in drei wesentlichen Ansätze zusammenfassen:

  1. Flexibles Denken.

    In den Zeiten der Digitalisierung behauptet jeder von sich, flexibel und agil zu sein. Die deutsche Flexibilität hat jedoch eine klare Grenze, zumindest was HR angeht. Was nicht verhandelbar ist: mindestens 10 Jahre im gleichen Bereich mit den gleichen Kunden und mit den gleichen Produkten zu tun gehabt zu haben. Ganz im Sinne des Gebotes der ersten der zweiten und sogar der dritten Industrialisierungswelle gilt: je tiefer und präziser die Erfahrung in einem Bereich, desto besser. Aber wir haben inzwischen die vierte Welle und die perfekte Arbeitsteilung, die präzise Wiederholung eines einzelnen Arbeitsschrittes funktioniert nicht mehr in den Zeiten des schnellen Wandels. Kluge Unternehmen schauen deswegen nicht länger nur auf die Geradlinigkeit des Lebenslaufs, sondern vor allem auf die Fähigkeit, sich erfolgreich in unterschiedlichen Bereichen einzubringen. Sie haben verinnerlicht, dass wir uns in einem völlig neuen wirtschaftlichen System befinden, und wissen deswegen Mitarbeiter zu schätzen, die beruflich viel Unterschiedliches gemeistert haben. Und ihr Erfolg gibt ihnen Recht.

Dass diese Idee gleichzeitig das traditionelle hierarchische Denken Deutschlands völlig infrage stellt, ist leider nicht jedem klar ebenso daß neue Herausforderungen neue Lösungen erfordern. Es ist der Wert einer innovativen Lösung anstelle von althergebrachten Mitteln, der erkannt werden muss, um sich erfolgreich der Zukunft stellen.

  1. Altersfreundlichkeit.

    Die Einstellung von – Fach- und Führungskräfte im Alter jenseits der 50 oder gar 60 Jahre egal wie erfolgreich und motiviert – ist in vielen Unternehmen ein Tabu. Auf der Top Führungseben ist es noch ‚okay‘, eine Stufe darunter ‚geht so‘, und der Rest hat, wenn sie ‚restrukturiert‘ werden, pauschal gesagt ausgedient. Die letzten 10 – 15 Jahre Ihres Berufsleben können Sie eigentlich abschreiben, wenn Sie nicht gerade auf der berühmte C-level sind: als Arbeitsnehmer werden Sie im besten Fall toleriert, ansonsten ignoriert. Sie zählen  nicht mehr, und bitte lassen Sie jegliche Hoffnung, einen neue Aufgabe in einer neuer Firma zu übernehmen. Wenn Sie die 50 überschritten haben,  hat die deutsche Flexibilität klare Grenzen.

Es würde die Personalsuche enorm erleichtern, sich von solchen Mythen zu verabschieden: wo steh es geschrieben daß die Anzahl der Lebensjahre die Hauptvariable ist, die berufliche Leistung bestimmt ? Nicht Kompetenz, Motivation oder Erfahrung sind die Kriterien, wonach exzellentes Personal gesucht wird, sondern das Alter herrscht in Deutschland: Azubis sollen jünger als 25 sein, über 50-Jährige haben keine Kreativität. Verlernt man Motivation, Kreativität und Neugierde ab 55 Jahren? Anscheinend Ja. Besonders betroffen sind Frauen, die sowieso immer im „falschen Alter“  sind: erst sind sie zu jung, um verantwortungsvollere Positionen zu übernehmen, dann sind sie lange Zeit im ‚gefährlich‘ gebärfähigen Alter und schließlich….. tja was sonst: Sie sind zu alt für den Job.

Im Grunde ist die Idee einfach: Menschen jeden Alters können sich bewegen, denken und lernen sowie Menschen unterschiedlichen Alters auch unterschiedliche Bedürfnisse und Interessen haben. Das ist keine Einschränkung, sondern eine Bereicherung. Dafür müsste man jedoch flexibel denken.

  1. Verständnis von HR:

    Hier schließt sich der Kreis: Wenn Sie nicht genügend gute Fachkräfte bekommen, liegt es daran, dass Sie sie nicht verdienen. Weil Sie ihre Personalabteilung unterdurchschnittlich bezahlen und ihr nur wenig Aufmerksamkeit zukommen lassen, weil sie deren Bedeutung als unwichtig und als notwendige Übel einstufen. Kurz: Weil sie kein Verständnis für die kardinale Bedeutung der Personalarbeit haben. Solange Sie diese Sichtweise nicht ändern, bleibt es dabei: Dann können Sie zwar weiterhin dem Übel der Welt die Schuld geben – aber das wird nichts daran ändern, dass Sie keine Fachkräfte finden.

Personalarbeit scheint immer noch eine nebensächliche Angelegenheit zu sein, auf jeden Fall bedeutend unwichtiger als z.B.  Controlling, Unternehmensfinanzierung oder Produktion. Natürlich traut sich niemanden das so zu sagen: der Beweis aber dass es so ist, sieht man bei der Bezahlung, die man dem „Personaler“ zukommen lässt.

Professionelle und mehrwertschaffende interne und externe Personalarbeit ist teuer, sowie jede andere berufliche Leistung: mit mehr Geld aber würde man auch besser ausgebildete und motivierteren HR Mitarbeiter anziehen. Aber solange Unternehmen nicht bereit sind die Wertschätzung dieser interne und externe Dienstleistungen mit Geld beziehungsweise mit Handlungsraum zu honorieren, werden sie weiterhin klagen daß „es gibt keine gute Leuten mehr“. Man muss an dieser Stelle auch fragen: Warum wird den Verantwortlichen der Personalabteilungen grundsätzlich viel geringer bezahlt als den Verantwortliche für Vertrieb oder Produktion? Über Ineffizienz bei der Suche und den Einstellungsprozessen braucht man sich deswegen nicht wundern. Selbiges gilt für externe Personalberater: je weniger Honorar, desto besser. Wenn die Unternehmen überhaupt dazu bereit sind etwas dafür zu bezahlen: „Die paar Namen, die hätte ich auch finden können …“ Und während auf der Webseite eines jeden Unternehmens ‚der Mensch im Mittelpunkt‘ steht, sieht das im Geschäftsbereich leider anders aus.

Es gilt Maschinismus statt Humanismus. Denn während die Ausgaben bei der Anschaffung für eine Maschine inklusive technischer Implementierung und Mitarbeiterschulung als ‚Investitionen‘ gelten, sind die Ausgaben für die Rekrutierung neuer Mitarbeiter pure ‚Kosten‘. Der Entscheidung über die Zusammensetzung der Maschinenparks wird intensiver diskutiert und analysiert als die Zusammensetzung des Mitarbeiterteams; auf der einen Seite werden Experten hinzugezogen, auf der anderen Seite die Ausgaben weiter gesenkt. Dabei sind – oder waren? – Menschen vielleicht doch so wichtig wie Maschinen.

Ich wiederhole mich: Der Kühlschrank ist voll, niemand muss verhungern. Vielleicht nur nicht mit exakt dem, was Sie erwarten. Versuchen Sie es einmal mit flexiblem Denken, strategischem Weitblick und einer Wertschätzung des Menschen – oder in kurz: HR-Professionalität.


Angela Hornberg : Ich bin im Bereich des Executive Search eine der wenigen unabhängigen Unternehmerinnen in Deutschland. Seit über 18 Jahren berate ich erfolgreich bei der Auswahl von Fach- und Führungskräften. Ich erkenne Potenzial, verfüge über sehr viel Erfahrung und habe einen klaren Instinkt dafür, die richtigen Menschen zusammenzubringen.

Ich schätze klare Meinungen, zweifle Allgemeinplätze an und sage nicht Ja, nur weil es erwartet wird. Das mag für manche eine Herausforderung sein, ich bin jedoch davon überzeugt, dass höfliche Unverbindlichkeit nicht ans Ziel führt. Meine Mandanten schätzen deswegen meine Professionalität, Verbindlichkeit und Authentizität. Sie erreichen mich über  Mail info@ahc-info.com; bzw.  Tel.: +49 (0) 69 71 03 48 70;