Da ist sie – die vielzitierte volatile, unvorhersehbare, komplexe und unsichere „VUCA“-Welt und demonstriert ihre Wucht. Trifft uns ins Mark, verschlägt uns die Sprache – und wird zum Stresstest für jeden Einzelnen, Familie, Gesellschaft, für Unternehmen, Arbeit und Führung.
Es ist faszinierend zu beobachten, welche Dynamiken entstehen, in welcher Bandbreite Menschen, Unternehmen, Führungskräfte auf die aktuellen Ereignisse reagieren.
Die alten, gelernten Muster und Verhaltensweisen funktionieren nicht mehr – und noch gibt es keine neuen, auf die man zurückgreifen könnte.
Die Reaktionen – einige in Schockstarre, wartend auf Befehl von „oben oder außen“, andere mutig, pragmatisch, selbst Verantwortung übernehmend.
Mehr denn jemals zuvor sind jetzt die Führungskräfte der Zukunft gefragt, denen es gelingt, ihr Team, ihr Unternehmen und die Menschen, auf die es aktuell so sehr ankommt, durch die Unsicherheit zu navigieren. Wer sich mit Agilität im Vorfeld auseinandergesetzt hat, könnte einen Vorteil haben – aber jetzt geht es nicht mehr nur um Methoden. Das „Mindset“, die Haltung kann jetzt entscheidend sein.
Eine Art Kompass möchte ich denjenigen an die Hand geben, die nach Ansätzen suchen.
Hierbei kombiniere ich den Ansatz der Themenzentrierten Interaktion (TZI nach Ruth Cohn) und meiner systemischen Ausbildung mit den Erkenntnissen aus der globalen Entrepreneurship-Forschung um die Entrepreneurship-Professorin Saras D. Sarasvathy von der University of Virginia.
Prof. Sarasvathy untersuchte die Entscheidungen von sogenannten „Supraentrepreneurs“ (=erfolgreichen Mehrfachgründern). Diese zeichneten sich vor allem dadurch aus, dass sie bis dato „nicht-existierende“ Märkte „begründeten“, sie erschlossen und dort mit anfangs sehr wenig Geld mehrmals hintereinander sehr erfolgreich gründeten.
Aus der Studie entstand die „Effectuation-Theorie“ als unternehmerische Entscheidungslogik, die in Situationen der Ungewissheit eingesetzt werden kann. Denn Märkte, die noch nicht existieren lassen sich ja nicht vorhersagen.
Dabei unterscheidet sich die Effectuation Theorie von der üblichen linear-kausalen Prognose der Zukunft auf Basis der Vergangenheit und setzt stattdessen auf Ressourcenorientierung. (Quellen und weiterführende Literatur finden Sie am Ende des Artikels)
Mein Kompass für Führungskräfte in Krisenzeiten:
- Sie sind nicht allein!
Sie müssen das auch nicht allein lösen. Ihre größte und stärkste Waffe sind Sie selbst und die Menschen, die Sie kennen. Ihr Team. Ihre Kunden. Ihre Konkurrenten. Ihre Freunde. Ihre Familie. Ihr gesamtes Netzwerk. Und deren Kontakte, Freunde, Familie, Netzwerk.
Nutzen Sie diese Kraft und die versammelte Intelligenz dieser Menschen. Verstehen Sie sich als Teil einer gemeinsamen Sache.
- Halten Sie die Balance !
Die Herausforderung der Stunde für Führungskräfte und Verantwortliche könnte es sein, auf die Balance zwischen den vier Aspekten ICH, WIR, THEMA und AUSSENWELT zu achten, wie sie das Modell der Themenzentrierten Interaktion nach Ruth Cohn (1912-2010) wunderbar beschreibt. Es geht davon aus, dass in einer „gesunden“ , themenzentrierten Zusammenarbeit die drei Seiten gleich wichtig und ausbalanciert sein müssen.
Dabei gilt es drei Prozesse gleichzeitig im Auge zu behalten:
- Die individuelle Entwicklung & die Bedürfnisse der Einzelnen
- Die Dynamik in der Gruppe
- Das „Thema“, also den Arbeitsauftrag des Teams
Klingt einfach. Ist es aber nicht.
Diese Balance gerät nur allzu einfach aus dem Gleichgewicht:
- Eine Person steht so stark im Mittelpunkt oder beansprucht so viel Aufmerksamkeit, dass Gruppe und Arbeitsauftrag aus dem Blickfeld geraten.
- Die Gruppendynamik (ob positiv oder negativ), nimmt so viel Raum ein, dass Arbeit liegen bleibt oder einzelne sich überrollt fühlen.
- Oder aber der Druck und Arbeitsaufwand ist so hoch, dass die Gefühle, Bedürfnisse der Einzelnen übergangen werden.
Als Führungskraft können Sie – mit Ihrem Team – auf Basis der o.a. Darstellung des TZI Dreiecks folgende Fragen beantworten und darüber in den Dialog gehen:
WAS (THEMA, ARBEITSAUFTRAG)
Woran wird aktuell gemeinsam gearbeitet?
Macht das aktuelle Ziel vor dem Hintergrund der Situation noch Sinn?
Brauchen wir einen Plan B?
Was sind die anstehenden Herausforderungen?
Welche Fragen gilt es zu lösen?
Orientieren Sie sich an den Prinzipien von Effectuation:
„Was man selbst steuern kann, muss man nicht voraussagen“
Hier bietet z.B. die Methode „Marktplatz der Macher“ nach M. Faschingbauer Orientierung:
- Themen und Regeln festlegen
- Mittelanalyse durchführen (Wer bin ich, was kann ich, wen kenne ich?)
- Zielvorstellung entwickeln
- Dialog mit dem Netzwerk
- Vorhaben formulieren & beschliessen
- Rollen und Verantwortlichkeiten festlegen
Dabei gelten folgende Regeln:
- SELBSTÄNDIG MACHBARES IST BESSER ALS AUFWÄNDIG ERTRÄUMTES
- KLEINE, KONKRETE SCHRITTE SIND BESSER ALS GROSSE PLANUNGSFANTASIEN
- WIR TUN,WAS WIR TUN KÖNNEN, ANSTATT ZU ANALYSIEREN, WAS WIR TUN SOLLTEN
- ES GEHT NICHT DARUM, “DAS RICHTIGE” ZU TUN – WAS RICHTIG IST, LÄSST SICH NOCH NICHT SAGEN
- WIR INVESTIEREN NUR DAS, WAS WIR AUCH BEREIT SIND ZU VERLIEREN
- RÜCKSCHLÄGE UND FEHLER SIND TEIL DES PROZESSES, ES GEHT DARUM MÖGLICHST FRÜH & GÜNSTIG ZU SCHEITERN
Ist allen der Aufrag & der Sinn klar und transparent?
Sind die Rahmenbedingungen klar, unter denen gearbeitet werden kann?
Schaffen Sie Transparenz, immer, ständig. Kommunizieren Sie alle Schritte. Nutzen Sie Projektmanagement Tools wie z.B. Trello.
„ICH“ (INDIVIDUUM)
Seien Sie sich darüber im Klaren, dass die aktuelle Situation eine echte psychische Belastung für nahezu alle Menschen darstellt.
Dabei hilft es, sich und anderen bewusst zu machen, durch welche emotionale Stadien jeder geht, der von einer von außen initiierten signifikanten Veränderung betroffen ist.
Diese Stadien wurden in den 60’er Jahren von der schweizerischen US Amerikanischen Psychiaterin Elisabeth Kübler Ross entwickelt – die zu der Erkenntnis kam, dass alle Menschen, die gleichen emotionalen Stadien durchlaufen, auch wenn sie offen für Wandel sind.
Wenn man sich als Führungskraft des Wandels bewusst macht, dass jeder durch diese Phasen geht – und jeder dafür seine eigene Zeit braucht, dann kann das sehr hilfreich sein. Ich habe diese kurve auch schon dazu benutzt, über Veränderung mit einem Team zu sprechen – in der großen Versammlung. Einfach nur um jedem klar zu machen, dass er nicht allein ist, dass es ok ist, wie er sich gerade fühlt, dass es eine Perspektive gibt und jeder sein eigenes Tempo braucht. Wenn es großes Vertrauen gibt, z.B, in kleineren Teams, kann man das auch nutzen, um die Mitglieder erzählen zu lassen, wo im Prozess sie sich verorten würden, was ihnen fehlt und darüber gegenseitig ins Gespräch zu kommen.
Üben Sie sich im echten Zuhören. Lassen Sie den Menschen den Raum.
Hören Sie genau hin. Erkennen Sie Gefühle und Bedürfnisse hinter den Reaktionen.
Und seien Sie gerüstet für Ausnahme-Reaktionen.
Informieren Sie sich, und orientieren Sie sich an Empfehlungen von Experten für psychische Gesundheit:
- Nicht zu viele Informationen konsumieren – Konzentration auf 1-2 Updates pro Tag aus seriösen Quellen.
- Ermöglichen Sie Bewegung, Selbstfürsorge, Achtsamkeit, gesunde Ernährung, gemeinsames soziales Engagement und Zeit für Freude.
Für alle Bereiche gibt es Apps oder sonstige Angebote, die man online wahrnehmen kann. (In meiner Toolbox, die Sie auf Wunsch gerne bekommen, habe ich einige wichtige links für Sie zusammengestellt).
Verweisen Sie in Notfällen auf die Telefonseelsorge oder andere Anlaufstellen, wie die deutsche Depressionshilfe.
Sollte jedoch eine Person zu viel Aufmerksamkeit beanspruchen und die Zusammenarbeit aus dem Gleichgewicht bringen, stoppen oder begrenzen Sie die Redezeit und verlagern sie in einen anderen Rahmen.
WIR (GRUPPE /TEAM)
Ist Ihr Team handlungsfähig? Wie ist die Stimmung? Die Dynamik?
Ermöglichen Sie den Dialog an – fragen Sie nach Wünschen und Bedürfnissen der Gruppe zur Zusammenarbeit.
Regen Sie Kritik an.
Stoppen Sie zu starke Harmonisierungstendenzen, wenn sie verhindern, dass der „Elefant im Raum“ angesprochen wird.
Verstehen Sie Konflikte als verschlüsselte Botschaften für Themen, die besprochen werden müssen.
Lassen Sie unterschiedliche Meinung zu.
Hilfreich bei der Verortung von frustrierenden Faktoren ist z.B. die „Einflussmatrix.“
Sie hilft und verdeutlicht sowohl dem Individuum als auch der Gruppe, zu akzeptieren und auch auszuhalten, dass es Faktoren gibt, auf die man keinen Einfluss hat. Und lenkt die Energie auf das, was man direkt umsetzen oder zumindest beeinflussen kann.
Nutzen Sie vorab oder abschließend das TZI Dreieck und fragen Sie, unter der Annahme, dass die Konzeptidee mit der Balance stimmig wäre, an welcher Stelle aktuell nachjustiert werden müsste.
Mehr als je zuvor ist es Zeit für neue Führung, die den Menschen genauso in den Mittelpunkt stellt wie den Arbeitsauftrag.
Die aktuelle Situation wird zeigen, wer dafür geeignet ist – und wessen Talent als Führungskraft hinterfragt werden darf.
Ich begleite und coache Sie, Ihre Führungskräfte und ihr Team gern im Prozess, in akuten Situationen oder Konflikten.
Aktuell auch online!
Bleiben Sie gesund und sehen Sie die Chance, die sich gerade auftut.
Ein pdf mit den Abbildungen & Detailinfos zu den vorgestellten Tools & Mehtoden sowie hilfreichen Fragen zur Umsetzung schicke ich gern zu.
Aus der Praxis für die Praxis: Daniela Niemeyer berät als Sparringspartnerin Führungskräfte zu Vertriebs-strategischen und Organisations-Entwicklungs- Fragen. Dabei hat sie einen entscheidenden Vorteil: Sie vereint die tiefe Kenntnis der Unternehmensseite als ehem. Führungskraft eines führenden internationalen Markenartikelunternehmens mit der Neutralität eines externen Beobachters.
Über 18 Jahre Praxis-Erfahrung in Marketing, Verkaufsförderung und Vertrieb und über 10 Jahre bereichsübergreifende Führungs- & Change-Erfahrung ermöglichen ihr ein schnelles Verständnis der „unternehmerischen Realtität“. Entsprechend praxisnah lassen sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse sowie die klare Haltung und die erprobten Methoden der systemischen Organisationsentwicklung anwenden. Damit gelingt es, Antworten auf die Fragen zu finden, für die es in der klassischen Management-Literatur keine Anleitung gibt.
PERSPEKTIVIST GmbH Strategie- & Organisationsentwicklung
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