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Warum die Markteinflüsse schuld sind

Im Unternehmen läuft es wenig erfreulich. Die Absatzzahlen sinken, die Kosten legen zu. Insgeheim weiß man, wo das Problem liegt: Es wurden dringend benötigte Investitionen in die Digitalisierung gestrichen. Das alles befeuert zwar die Kosten, schmälert jedoch auch den Markterfolg. Nun geht es darum, für die Bilanzpressekonferenz den Text zu schustern…

Zuständig dafür ist Hannes. Der 49-jährige studierte Betriebswirt ist Produktionsleiter und Mitglied der Geschäftsleitung eines internationalen Industriekonzerns. Die fiktive Person gewährt einen Einblick, was auf der Management-Etage eigentlich so gedacht und getan wird. Übrigens: Ein Schmunzeln aufgrund dieser Business-Satire ist durchaus erlaubt…

Die Kommunikationschefin sitzt bei Hannes im Büro und fragt, was sie ins Communiqué schreiben soll. Hannes hat sofort eine optimale Formulierung: „Schreib: Wir investieren zu wenig in Produktionsanlagen und streichen F+E-Gelder.“ Die Kommunikationschefin schaut ihn mit großen Augen an und meint: „Das ist aber nicht dein Ernst! Wir sind doch erfolgreich, sind der Zeit vielleicht einfach voraus, oder?“ Hannes bleibt dran: „Aber es ist auch klar, dass zu wenig nachgefragt wird.“ Die Kollegin kaut auf ihrem Kugelschreiber und entgegnet: „Das ist in der Tat ein Marktproblem.“ Hannes kann das bestätigen, dass der Markt nicht das will, was wir haben – und umgekehrt.

Seine Gesprächspartnerin feilt weiter am Text. „Es ist doch so, dass alle Unternehmen derzeit Lieferschwierigkeiten haben, oder etwa nicht?“ Hannes hat den Durchblick: „Ja, die Lieferketten sind schon auch ein Faktor, schreib das. Aber vergiss nicht: wir sind auch noch in der Corona-Nachphase. Der Markt hat sich einfach noch nicht erholt.“ „Und wie sieht es mit dem Ukraine-Krieg aus?“, will sie jetzt wissen. Hannes stimmt zu, der Krieg ließe sich doch verantwortlich machen für – so manches. Er grübelt noch, wie der dazu passende Satz lauten könnte. Noch erhellt ihm nicht, was der Ukraine-Krieg damit zu tun haben soll, dass ein Kaffeeautomaten-Löffelhersteller, wie es sein Unternehmen ist, einen Gewinneinbruch hat. „Es ist so, dass aufgrund des fehlenden Vertrauens in die Wirtschaft im Osten Europas die Menschen weniger Automatenkaffee trinken“, versucht Hannes den Gedanken abzuschließen.

Der Automatenkaffee ist nicht tot…

Die beiden Fachkräfte resümieren: „Geschätzte Anwesende. Die Zahlen täuschen. Sie sind zwar vordergründig Rot, aber das ist ein gutes Zeichen. Wir haben im Vergleich zu anderen Mitbewerbern weniger Marktanteil an ausländische Konkurrenten verloren als uns explizit vorausgesagt wurde. Der Automatenkaffee ist nicht tot. Der Trend wird wieder weg von Nespresso, Kugeln und Teekochern zum industriellen Kaffee mit weniger Putzaufwand gehen. Da sind wir der Zeit voraus.

Daneben gilt es zu beachten: Wir haben Lieferschwierigkeiten mit den Rohlingen. Die kommen aus einer Gegend, die ihrerseits wieder Energielieferschwierigkeiten mitunter wegen Corona hat. Aufgrund des Krieges in der Ukraine könnte das mittelfristig Engpässe verursachen. Alles in allem freut es uns, auf ein erfreuliches Jahr zurückzublicken. Denn im Sonnenschein wandern und nicht nass werden – nein, das ist ja keine Sache. Wir sind hier die Harten im Garten und strotzen allen Widrigkeiten des aktuellen Marktes. Da setzen wir den Benchmark.“ Hannes konstatiert: Den Kräften der Makroökonomie kann man sich eben nicht entziehen…

Vertiefendes Fazit

Schönreden – das ist eine beliebte Vorgehensweise, um an und für sich negative Vorgänge und Zustände zu zerreden. Es mag sein, dass es eine Zeit gab, in der das funktionierte. Heute wird das von Mitarbeitern, Geschäftspartnern und den Medien meist durchschaut und lässt die Glaubwürdigkeit eines Unternehmens erodieren. Denn Glaubwürdigkeit heißt:

  • Benennen Sie Dinge so, wie sie sind. Tun Sie das ohne Pathos ins Negative oder zurecht-schöngeredeten Phrasen.
  • Es ist immer möglich, auch eine Emotion dazu zu setzen. Aber sie ist getrennt vom eigentlichen Tatbestand zu formulieren und sollte ebenfalls den wahren Gefühlen des Absenders entsprechen.
  • Worte sind da, um zu beschreiben, was ist und nicht, um zu verdecken. Geschwurbel und nichtssagende Worte lösen häufig ein Unbehagen aus und bewirken oft das Gegenteil von dem, was Sie als Absender erreichen wollten.
  • Es lohnt sich, sich bei einem Statement oder einem Anliegen auf die Essenz zu fokussieren. Was soll am Schluss Ihrer Aussage beim Gegenüber und/oder Ihrem Publikum hängen bleiben? Alles, was diesem Ziel nicht förderlich oder gar hinderlich ist, können Sie getrost weglassen.

Stefan Häseli ist Experte für glaubwürdige Kommunikation, Keynote-Speaker, Moderator und Autor mehrerer Bücher. Als ausgebildeter Schauspieler mit jahrelanger Bühnenerfahrung schreibt er ganze Abendprogramme selbst. Dazu kommen Engagements in Kinofilmen, TV-Serien, TV-Werbespots und Schulungsfilmen. Er betreibt ein Trainingsunternehmen in der Schweiz. Häseli ist mehrfach international ausgezeichneter Redner und Trainer. Die Kommunikation in ihren unterschiedlichen Welten und die Details in der Sprache faszinieren ihn und prägten seinen beruflichen Werdegang. Er begeistert in seinen Fachartikeln und Kolumnen mit feinsinnigem Humor