„ … Meine Field Force-Organisation besteht aus äußert qualifizierten Männern wie auch Frauen … wir besuchen die größten und wichtigsten Kunden des LEH …“ diese Sätze eines jungen Kollegen, verantwortlich für das Markengeschäft in einem Konzern, habe ich noch immer in meinen Ohren. Selbstbewusst, makelfrei vorgetragen kamen die Aussagen über seine Lippen. Alles perfekt organisiert – so zumindest der äußere Schein.
Die Field Force bildet – vielleicht mehr noch als in der Vergangenheit – das wichtige Bindeglied zwischen Marketing, Key Account Management und dem Handel. Und im Handel selber ist verdammt viel los. Welche Flächen werden welchen Produkten zur Verfügung gestellt, teuer gekaufte und installierte Category-Management-Systeme sollen die Antwort liefern. Durch den rasanten Anstieg des Online-Geschäftes gilt es jeden Tag aufs neue, die von der Industrie belegten Flächen kritisch zu betrachten. Ein Umbau jagt den anderen. Wir aber leben davon, dass die von uns gelisteten Produkte aus den Regalen schnell rausverkauft werden.
Fragen Sie die Frösche, wenn der Teich trockengelegt werden soll?
So muss sich die Industrie immer kritischer mit der Frage beschäftigen, ob die tätige Field Force Organisation jedes Outlet des Handels mit gleicher Intensität besuchen muss. Der Außendienstler fährt seine Kundenliste ab; oftmals nach den Vorgaben eins modernen CRM-Moduls, das wiederum aus einem Kundenuniversum mit zig-Tausend Kunden herausgelöst wurde. Tag für Tag werden so die Kunden abgearbeitet, es werden Haken gesetzt und kleine Berichte abgesetzt. Sind es jedoch in jedem Fall die richtigen Kunden oder aber gibt es womöglich Kunden mit hohem Potential, die entweder ganz durch das Raster des bestehenden Kundenuniversums durchgefallen sind oder aber im festgeschriebenen Besuchs-Rhythmus eine zu hohe oder aber zu geringe Beachtung erfahren? In vielen Fällen sind es die Reisenden, die letztlich festlegen, ob ein Kunde besuchs- oder aber weniger besuchswürdig ist. Aber Hand aufs Herz, ist das der richtige Weg? Fragt man die Frösche, wenn der Teich trockengelegt werden soll?
Haben wir bei der Festlegung des Kundenuniversums, des Besuchsrhythmus alles richtig gemacht, alles berücksichtigt, was es zu berücksichtigen gilt? Ich würde an dieser Stelle jedem für diesen Bereich verantwortlichen Manager dringend empfehlen, sehr selbstkritisch mit diesen Fragen umzugehen. Beurteilen wir die Besuchshäufigkeit nach der Größe des Outlets, den oft subjektiven Aussagen eines Reisenden in seinem angestammten Gebiet oder sind es die Key Account Manager, die mit einer erhöhten Besuchsfrequenz einzelner Outlets ihre Umsätze sichern wollen?
Wir müssen die Gewissheit haben, mit jedem Besuch eines Reisenden das Richtige zu tun. Nur dann finden wir gute Argumente, wenn es um die Verteidigung des Kostenblocks „Field Force“ geht. Und dieser Diskussion kann keiner mehr ausweichen.
Wie also bei Store Scoring-Modellen vorgehen?
Liegt die optimale Lösung im Rahmen eines „Store-Scoring-Modells? Ich war mir da wahrlich nicht sicher, wir hatten Tertial für Tertial die Kundenlisten von den Regionalen Verkaufsleitern kontrollieren lassen. Da konnte doch so vieles nicht falsch sein. Eine gewisse Verunsicherung blieb dennoch.
Nach einem Store Scoring Modell wird jedes einzelne Outlet zunächst mit den zur Verfügung stehenden soziodemographischen Daten bewertet. Diese Daten werden mit dem vorab festzulegenden Käuferprofil des jeweiligen Markenproduktes/-sortimentes abgeglichen. Wichtige Grundsatz-Frage dabei ist, ob das im Umfeld des Outlets auszumachende Käuferpotential im Einklang mit dem Marken-Sortiment der jeweiligen Organisation steht. Eine dem Outlet zuzurechnende ältere Kundenstruktur würde im Widerspruch zu einer jungen Artikelgruppe stehen. Teuerste Markenprodukte gehören nicht dorthin, wo Wohnblocks eher auf eine einkommensschwache Bevölkerung hinweisen.
Weiter gilt es, ein Blick auf die Höhe und die Anzahl der Kassenbons zu richten. 4000-qm-Märkte in einem Ballungszentrum sind anders zu bewerten als in einer strukturschwachen Region. Wenn keine Kunden im Markt sind, dann hilft auch die beste Platzierung nichts. Wir sind höflich und kommen dann nur alle drei Monate…
Und dann die Frage nach besuchenswürdigen mittleren oder gar relativ kleinen Outlets. Oftmals sind sie aufgrund der Größe und der damit verbundenen Auslastung der Außendienst-Mannschaft gar nicht berücksichtigt worden. Ist das aber richtig? Ich bezweifele es – in den letzten Jahren sind es doch die kleinen und privaten Einzelhändler gewesen, die die Umsätze der Handelsriesen weiterentwickelten. Mit Kreativität und großem Engagement sind hier Outlets entstanden, die nicht durch Größe aber eben durch eine zielgruppengerichtete Angebotspolitik überdurchschnittliches Umsatzpotential generieren. Es sind oftmals die Geschäfte , die durch Service, kompetentes Personal und ein auf die Kunden abgestimmtes Sortiment nicht den Hype des Online-Geschäftes fürchten müssen. Und hier müssen wir mit unserem Außendienst sein … nicht dort, wo bei jedem Besuch geklagt und abgeschrieben wird.
Die in den letzten Absätzen von mir beschriebene Thematik war für mich auch neu. Wer sollte eine solche Bewertung des Kundenuniversums vornehmen. Alles in allem mit viel Detail-Arbeit verbunden. Und Zeit hat keiner von uns. Ich ließ es durch eine international tätige Agentur erledigen.
Und nach drei Monaten war ich – obwohl ich bis zuletzt sehr verunsichert war, ob Investment und letztlich der Nutzen in richtiger Relation stehen würden – sehr überrascht über die Reaktionen der Aussendienstmitarbeiter. In kleinen Meetings wurde das in vielen Punkten geänderte Kundenuniversum vorgestellt. Voraussetzung war gewesen, dass Anzahl der Besuche und Mitarbeiter nicht verändert werden durften; wohl aber mußten die Gebietsgrenzen der Reisenden angepasst werden. Und das wurde notwendig, weil z. Bsp. der Besuchsrhythmus großer EDEKA-Märkte halbiert wurde, in REWE Märkten erfolgte in vielen Beispielen eine Erhöhung. Andere Märkte wurden aus der Betreuung herausgenommen, neue Märkte dazugekommen. OK – in dem einen oder anderen Fall gab es Diskussionen, doch unterm Strich war die Akzeptanz bei den Reisenden überraschend hoch und die aufwändige Neubewertung des Kundenuniversums der richtige Schritt in die Zukunft.
An ein Telefonat erinnere mich noch heute. Einer meiner Verkaufsleiter rief mich an und sprach von einer „Goldgräber-Stimmung“, in der er sich an diesem Tag befinden würde. Er besuchte Kunden, die bisher nicht im Kundenuniversum berücksichtigt wurden und ein immenses Potential aufwiesen. Vertrieb kann so schön sein ….
Gerhard Oncken war viele Jahre nationaler Verkaufsleiter in namhaften Unternehmen der FMCG-Markenartikelindustrie. Er war zuletzt 8 Jahre lang verantwortlich für die Field Organisation von HOMANN in Dissen.
Für Fragen und Tipps zur Vorgehensweise steht Ihnen der Autor gern zur Verfügung via Mail oncken@t-online.de; oder Tel.: +49 (0) 151 23 26 17 10