Die Art und Weise, wie Jahresgespräche im deutschen Einzelhandel geführt werden, verändert sich gerade grundlegend. Künstliche Intelligenz (KI) hält Einzug in einen Bereich, der lange Zeit von persönlichen Beziehungen, Erfahrungswerten und Ritualen geprägt war. Immer mehr Handelsunternehmen setzen auf KI-basierte Tools, um Einkaufsverhandlungen effizienter, faktenbasierter und strategisch fundierter zu gestalten.
Vom Bauchgefühl zur Datenbasis
Wo früher oft das Verhandlungsgeschick einzelner Akteure dominierte, sorgen heute intelligente Systeme für eine neue Faktenlage. Moderne KI-gestützte Assistenten analysieren Produkte auf Artikelebene hinsichtlich Rentabilität und Relevanz für die Kundschaft. Diese neue Transparenz führt zu einer deutlichen Verschiebung im Verhandlungsprozess: weg vom machtpolitischen Ritual – hin zu datengestützten, nachvollziehbaren Argumenten.
Das Ziel ist klar: Effizienzgewinne und Kostensenkung. Da der Warenaufwand im Handel einen Großteil der Gesamtkosten ausmacht, wirken sich selbst kleine Einsparungen überproportional positiv auf den Ertrag aus. Die Herausforderung: Viele Einkaufsverantwortliche verfügen derzeit nicht über die notwendigen Daten oder analytischen Fähigkeiten, um das Potenzial voll auszuschöpfen.
Verhandlungsbots übernehmen das Ruder
Einige Unternehmen gehen bereits den nächsten Schritt – und setzen vollautomatisierte Verhandlungsbots ein. Beispiele:
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„NeBo“ von apsolut automatisiert den gesamten Verhandlungsprozess – von der Auswahl der Bestellungen über die Strategieentwicklung bis hin zur finalen Umsetzung.
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Der KI-Verhandlungsassistent von statworx nutzt externe und historische Daten, um eigenständig Verhandlungsstrategien zu entwickeln.
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Der BOTfriends-Chatbot verhandelt per Textnachricht autonom mit Lieferanten – mit einer dokumentierten Discount-Quote von bis zu 3,5 %.
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Pactum AI verhandelt im Auftrag internationaler Konzerne große Mengen an Lieferverträgen – auf Basis der weltweit größten Datenbasis zu Verhaltensmustern in Verhandlungen.
Diese Systeme funktionieren ohne menschliches Eingreifen – und verändern damit auch die Rollenbilder im Vertrieb.
Neue Rollen für Key Account Manager
Für Key Account Manager (KAM) entsteht durch die Automatisierung eine neue Realität. Einerseits gewinnen sie durch KI-gestützte Tools wertvolle Unterstützung bei der Analyse, dem Reporting und der Vorbereitung von Verhandlungen. Dadurch können sie sich stärker auf strategische Aufgaben, Kundenbeziehungen und kreative Lösungsansätze konzentrieren.
Andererseits treffen KAMs nun immer häufiger auf automatisierte Verhandlungspartner – ein völlig neues Spielfeld. Der Umgang mit Verhandlungsalgorithmen erfordert neue Kompetenzen, etwa ein tieferes Verständnis für Datenstrukturen, KI-Logik und digitale Kommunikation. Die Fähigkeit, die eigenen Argumente strategisch gegen automatisierte Systeme zu platzieren, wird zur neuen Schlüsselqualifikation im Vertrieb.
Status quo und Herausforderungen im Handel
Laut einer aktuellen Studie des Handelsverbands Deutschland (HDE) befinden sich viele Handelsunternehmen in einem frühen Stadium ihrer KI-Reise. Die Technologie wird derzeit meist nur in einzelnen Bereichen eingesetzt. Ganzheitliche, strategisch verankerte KI-Projekte sind bislang noch selten – nicht zuletzt aufgrund fehlender Ressourcen, mangelnder Datenqualität und offener regulatorischer Fragen.
Gerade für mittelständische Unternehmen bietet diese Phase jedoch eine Chance: Wer frühzeitig konkrete Anwendungsfälle identifiziert, Kompetenzen aufbaut und intern für Akzeptanz sorgt, kann sich einen echten Wettbewerbsvorteil sichern.
Fazit: Mensch und Maschine als Verhandlungsteam
KI ersetzt nicht den Menschen – sie erweitert seine Möglichkeiten. Die besten Ergebnisse entstehen dort, wo technologische Präzision auf menschliche Erfahrung, Kreativität und Empathie trifft. Besonders bei komplexen oder strategisch wichtigen Verhandlungen bleibt der persönliche Kontakt unersetzlich.
Key Account Manager, die sich aktiv mit KI beschäftigen, ihre eigene Rolle neu definieren und bereit sind, ihre Kompetenzen zu erweitern, gestalten die Zukunft des Handels mit – als hybride Verhandlungspartner zwischen Mensch und Maschine.
FMCG-Vertriebsmanager können bei uns über r.hesse@braintrust-group.de ein Infoblatt abrufen zu: „Wie sich Key Account Manager auf KI-Verhandlungsbots einstellen sollten“