Bedeutung des Marketing in 2023: Ganzheitliches Marketing – noch wichtiger denn je …

by in "ImPuls des Tages", Marketing

Jede Zeit behauptet von sich, noch anspruchsvoller zu sein als die jeweilige Phase zuvor. Bei der Bewertung
derzeitiger Herausforderungen spricht vieles jedoch dafür, dass sich das aktuelle Umfeld des Marketing deutlich
angespannter zeigt als in der Vergangenheit. Denn Unternehmen und ihr Marketing werden derzeit aus vier
unterschiedlichen Richtungen zugleich herausgefordert:

• Aus gesellschaftspolitischer Sicht nehmen sowohl die Veränderungen in der sozio-demografischen
Struktur wie auch der Wertewandel großen Einfluss auf Unternehmen und ihr Handeln. Denn die neu
entstehenden Konsumgruppen sind nicht nur erheblich anspruchsvoller und zunehmend kritischer,
sondern zeigen sich auch in ihrem Verhalten gegenüber Unternehmen und ihren Produkten deutlich
weniger loyal. Gerade die jüngere – häufig als Generation Z bezeichnete – Alterszielgruppe ist durch
klassische Marketingmaßnahmen kaum noch zu erreichen; aufgrund ihres spezifischen Verhaltens muss
diese ‚Generation Adblocker‘ über für sie relevantere und emotionalere Wege der sozialen Medienwelt
adressiert werden.

• Mit dem Wertewandel und dem daraus resultierenden wachsenden kritischen Bewusstsein ist auch die
Sensibilität für gesellschaftlich relevante Fragestellungen gestiegen – ethische Themen wie Umweltschutz,
Nachhaltigkeit oder Gendergerechtigkeit haben sich zunehmend vom ‚nice-to-have‘ zum ‚musthave‘
entwickelt und werden immer stärker als qualitativer Orientierungsmaßstab für unternehmerisches
Handeln betrachtet.

• Im politischen Umfeld gibt es immer mehr Entscheidungsträger, die sich so intensiv wie nie zuvor in die
Führung von Unternehmen einmischen und Marketing vor zusätzliche Herausforderungen stellen. So
wird in der Folge der Ukraine-Krise offen über Reglementierungen von Schaufensterbeleuchtungen o.ä.
diskutiert; in vielen Kommunen wird mit Verweis auf die notwendige Verkehrswende die Erreichbarkeit
von Geschäften massiv eingeschränkt; auf Bundes- und europäischer Ebene wird lautstark über
Werbeverbote für einzelne Produktkategorien wie Süsswaren nachgedacht.

• Die Digitalisierung hat sich über die ihr innewohnenden Dynamik und Intensität zu einem Dauerthema
entwickelt. Regelmäßig entstehen neue Anwendungen, Prozesse und Kanäle, über deren praktische
Relevanz jeweils neu zu entscheiden ist und die das schon vorher nicht triviale Marketing noch
komplexer werden lässt.

• Der Wettbewerb zeigt sich in einer zuvor nie gekannten Intensität – Fachleute charakterisieren ihn
deshalb teilweise sogar als ‚Hypercompetition‘. Über die Verwischung lange Zeit gültiger Branchengrenzen
geraten immer mehr Fachgeschäfte und Branchen in Bedrängnis, da ihre Einzelangebote im
Vergleich zu den trendig erscheinenden Multisortimentern und Komplett-Outfit-Anbietern nicht mehr
bestehen können. Die Digitalisierung hat einen massiven Systemwettbewerb On- gegen Offline
ausgelöst, der eine zusätzliche Dynamik durch disruptive, häufig von branchenfremden, Investorgestützten
und unbefangen agierenden Geschäftsmodellen erfährt. Und schließlich ist eine Verstärkung
des Wettbewerbs durch die Vertikalisierung und damit verbundene Auflösung der Wertschöpfungsstufen
zu beobachten – immer mehr Hersteller adressieren ihre Konsumenten direkt über eigene sog.
D-to-C-Vertriebsmodelle, während auf der anderen Seite wiederum Händler über die Übernahme
eigener Produktionskapazitäten die Markenartikelindustrie in Bedrängnis bringen.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass klassisches Marketing kaum noch geeignet ist, den Konsumenten
überhaupt zu erreichen bzw. noch sehr viel mehr von einem Unternehmen und seinem Angebot zu überzeugen.
In einer Welt gestiegener Ansprüche und eines aktiven Hinterfragens des unternehmerischen Handelns reicht es
nicht mehr aus, lediglich analoge Kommunikationswege durch digitale zu ersetzen – um Konsumenten für ein
bestimmtes Leistungsangebot wirklich zu begeistern, muss der gesamte Unternehmensauftritt im Sinne einer
ganzheitlichen Customer Centricity über alle Kontakt- und Erlebnispunkte hinweg aktiv gestaltet werden.
Eine solche durchgängige und überzeugende Kundenorientierung – in Abgrenzung zu der in vielen Unternehmen
noch immer gelebten reinen Kosten- und Margenoptimierung – kann jedoch nur gelingen, wenn alle
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von dem Geschäftsmodell und seiner Differenzierungskraft überzeugt sind.
Und deshalb darf sich Marketing nicht länger nur als Gestalter der externen Kundenbeziehung verstehen,
sondern muss über ein Internal Marketing als ‚Anwalt des Kunden‘ vor allen extern gerichteten Maßnahmen
zunächst intern das gesamte Unternehmen von dem Marketingkonzept überzeugen.
Dabei gilt es schließlich auch, die strategische Positionierung und den Purpose von Unternehmen weiter zu
schärfen. Denn in einer Welt eines noch umfassenderen Wettbewerbs und gleichzeitig immer kritischer
werdenden Konsumenten wird es immer wichtiger, neben dem eigentlichen Angebot auch überzeugend zu
vermitteln, welchen gesellschaftspolitischen Beitrag ein Unternehmen erbringt. Und das nicht als oberflächliche
‚Greenwashing‘- oder ‚Pinkwashing‘-Kampagnen, sondern als Ergebnis einer wirklich überzeugten und im
unternehmerischen Alltag gelebten Philosophie.
Wenn es gelingt, strategisch noch klarer fundiert, ganzheitlich über alle Kontakt- und Kommunikationspunkte
hinweg überzeugend erlebbar zu werden, wird Marketing eine neue Schubkraft entfalten und zu einem
erfolgreichen unternehmerischen Auftritt beitragen.

Mit seinem inhaltlich hoch ausgewogenen wie relevanten Programm greift der Marketing Club Hamburg diese
aktuellen Entwicklungen gezielt auf und bietet auch innerhalb seines attraktiven Netzwerks den perfekten
Rahmen, die hohe Relevanz für die jeweils eigenen beruflichen Aufgaben zu diskutieren. Das Jahr 2023 wird
spannend – wir freuen uns auf den gemeinsamen Austausch!

Hamburg, 2. Februar 2023
Prof. Dr. Wolfgang Merkle
Präsident Marketing Club Hamburg

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